Elias starb am 12.01.2011 durch einen Suizid.

Er wurde am 18.01.2011 in Eggenfelden beerdigt.

Rede für Elias – Markus Enghofer

Sehr verehrte Angehörige, sehr geehrte Trauergemeinde,

ich habe Elias kennen gelernt, als er im Schuljahr 1999/2000 an das Karl-von-Closen-Gymnasium kam. Er hatte vorher die Montessorischule besucht und musste den Probeunterricht absolvieren. Das Wortgutachten, das ihm seine Lehrerin mitgab, beschrieb ihn als „fröhlichen, empfindsamen, aufgeschlossenen und hilfsbereiten Schüler, der stets freundlich und auf Gerechtigkeit bedacht ist. Besondere Kreativität zeigt er im musischen Bereich.“

Mit diesen Worten hat sie Elias Persönlichkeit sehr treffend beschrieben, denn diese Prädikate wiederholen sich auffallend in den von seinen Lehrern verfassten Charakteristiken durch die gesamte Schulzeit am Gymnasium hindurch.

Die Hürde des Probeunterrichts hat er mit Bravour genommen und ich habe ihn dann in der 5. Klasse in Englisch unterrichtet. Ich kann mich noch gut an diese 5. Klasse erinnern, die ausgesprochen nett war und schon viele prägnante kleine Persönlichkeiten enthielt. Elias saß mit den anderen Klassenkameraden aus der Montessorischule in der letzten Reihe. Er hatte kurze blonde Haare, war für sein Alter relativ hochgewachsen und blickte recht pfiffig hinter seiner Brille hervor. Am Anfang war er noch recht schüchtern, gewöhnte sich aber schnell ein und taute im Laufe des Schuljahres richtig auf, so dass ihm am Ende des Schuljahres seine Klassenleiterin bescheinigte:

„Elias ist ein ruhiger, freundlicher und kameradschaftlicher Schüler, der sich aber durchaus  aktiv am Unterrichtsgespräch beteiligt und recht überlegt Beiträge bringt“.

Auch sein musikalisches Talent kam sehr schnell zum Vorschein. Im Jahr 2001 organisierten Christoph Bachmeier und Walter Waidosch eine CD-Aufnahme für die verschiedenen Schulbands des Gymnasiums. Und Elias war als Drummer der 6. Klassband „Bubble Gum Gang“ natürlich mit dabei. Obwohl er auch richtig gut Klavier spielte, hat er sich bei den verschiedensten musikalischen Aktivitäten und Schulfesten am Gymnasium in erster Linier als Schlagzeiger hervorgetan. Dabei lag ihm das alte, schon leicht ramponierte Schlagzeug der Schule sehr am Herzen, er pflegte es inniglich und hat es immer wieder einsatzfähig gemacht – wurde  aber auch nicht müde, darauf hinzuweisen, dass es den musikalischen Ansprüchen nicht mehr genüge und unbedingt ersetzt werden müsse!

In der 7. Klasse wählte Elias als 2. Fremdsprache Französisch und trat damit in den modernen fremdsprachlichen Zweig mit Spanisch als 3. Fremdsprache ein, der ganz neu am Gymnasium eingerichtet worden war.

Mit seiner Schulzweigwahl ergab sich für Elias allerdings ein ganz besonderes Problem: Er was der einzige Junge in einer ansonsten reinen Mädchenklasse! Aber diese Herausforderung meisterte Elias ganz vorzüglich und sein Klassenleiter bestätigte ihm, dass er sich trotz seines Minderheitenstatus gut in die Klassengemeinschaft integriert und erstaunlich tapfer behauptet hat.

Neben seiner musikalischen Begabung zeichnete sich ebenfalls schon sehr früh sein poltisches Interesse und ausgeprägtes soziales Verantwortungsbewusstsein ab. Elias engagierte sich mit viel Herzblut in der Schülermitverwaltung, unterstützte mit hohem persönlichen Einsatz die Organisation des jährlichen Weihnachtsbazars, dessen Erlös armen Kindern in Brasilien zu gute kommt, und war bei den vielen sonstigen Schulveranstaltungen stets bereit, am Ausbau einer starken und lebendigen Schulgemeinschaft mitzuwirken.

Beim Eintritt in die Kollegstufe wurde mit der Wahl von Deutsch und Wirtschaft und Recht als Leistungskursfächer sein geistes- und gesellschaftspolitischer Interessenschwerpunkt einmal mehr deutlich. Kreativität und originellen Einfallsreichtum bewies er bei der Teilnahme an einem Unternehmensgründungsspiel. Sein Team entwickelte die Idee, einen Routemasterbus aus London zum Partybus umzubauen, der verschiedene Lokalitäten und Events anfährt – wobei ihm da sicher auch eine Haltestelle an seinem geliebten JUZ vorschwebte.

Volkswirtschaftlich interessierten ihn besonders die Vorstellungen der verschiedenen Wirtschaftssysteme zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit – wodurch wahrscheinlich eine Art theorethischer Unterbau für sein späteres soziales Engagement in Südafrika entstand.

Die Facharbeit fertigte er in seinem anderen Leistungskursfach Deutsch an. Dabei befasste er sich mit der „Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in der Kinder- und Jugendliteratur“ von den 60er Jahren bis heute. Mit großem Engagement und kritischem Blick analysierte Elias, dass in den verschiedenen Jugendbüchern eine sehr differenzierte Aufarbeitung der NS Vergangenheit stattfindet, aber sich auch der gesellschaftspolitische Kontext der jeweiligen Entstehungszeit wiederspiegelt. In seinem Schlusswort wirbt Elias mit Nachdruck für einen verstärkten Einsatz dieser Literatur im Unterricht zur Förderung des Geschichtsbewusstseins der jungen Menschen! Es ist nicht verwunderlich, dass er dann im Deutschabitur unter den verschiedenen Aufsatzangeboten das Erörterungsthema wählt und in seiner Abhandlung vehement und überzeugend das Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt und dessen weltweite Anerkennung und Durchsetzung fordert.

Ich habe in den letztem Tagen viele Mails und Rückmeldungen von Schülern und Kollegen erhalten, denen Elias noch gut in Erinnerung ist.
Besonders treffend und beeindruckend beschreibt ihn sein langjähriger Religionslehrer:

„Mir wird Elias immer in Erinnerung bleiben als ein besonders liebenswerter junger Mensch, der in ungewöhnlichem Maße engagiert sich um seine Mitmenschen und die Welt Gedanken machte. Es war schon ein nicht alltägliches Geschenk einen Schüler erleben zu dürfen, mit dem man mit Leidenschaft in einem ausgesprochen fruchtbaren Sinne „streiten“ konnte und der mit seinen Fragen und Gedanken nicht nur mich, sondern auch die ihn umgebenden Menschen immer wieder ein Stück weiter gebracht hat.“

Das facettenreiche Bild von Elias, das aus den vielen verschiedenen Erinnerungen entsteht, macht es uns nur noch schwerer, das Geschehene zu begreifen. Wir können keine Erklärung finden, keine Gründe, nichts, was wir mit unserem Verstand, mit dem, was wir wissen, fassen, eben begreifen können. Wir werden keine Antwort finden auf die Frage, warum seine Lebensenergie, seine Lebenskraft nur für 22 Jahre reichte.

Für uns war diese Zeit zu kurz, aber vielleicht ist es gar nicht nur der Faktor Zeit, der ein Leben rund und glücklich macht.

„Eine kurze Zeit ist genug, um wirklich gut zu leben“ schrieb der römische Klassiker Cicero, der selbst seine geliebte Tochter Tullia in jungen Jahren verloren hat.

Alle, die Elias kennen lernen durften, haben ihn als einen lebensfrohen Menschen erfahren, der sein Leben genossen hat, es intensiv gelebt hat, was auch in der Abiturzeitung zum Ausdruck kommt. Dass sein soziales Engagement in einem 18-monatigen sozialen Einsatz in einem Waisenhaus in Südafrika mündet war eine schon fast selbstverständliche Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit, seines Denkens und Handelns.

Elias Leben, seine Persönlichkeit, war ein Geschenk an ihn selbst und an uns alle. So vieles würde uns fehlen, wenn wir ihn nicht hätten erleben dürfen. Ein Geschenk, für das wir sehr dankbar sein müssen, dankbar dafür, dass er ein Teil unseres Lebens gewesen ist.

Liebe Familie Horsch, im Namen der gesamten Schulgemeinschaft des Karl-von-Closen-Gymnasiums spreche ich Euch unser herzlichstes Beileid und Mitgefühl aus. Wir wünschen Euch für die schweren Stunden des Schmerzes viel Kraft und irgendwann wieder ein Stück von der Lebensfreude, die uns Elias geschenkt hat.

Aus unseren Herzen, aus unserer Erinnerung ist Elias nicht verschwunden.

Der französische Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry drückt dies mit folgenden Worten aus:

„Wenn ihr micht sucht, sucht mich in euren Herzen. Habe ich dort eine neue Bleibe gefunden, lebe ich in euch weiter“

Ansprache zur Trauerfeier – Jochen Pickel

Psalm 139,1-10

Liebe Angehörige, Freunde und Trauernde!

Ein Radio-Sender wirbt für seine 15-minütigen Nachrichten-Intervalle mit der Begründung: “In 15 Minuten kann sich die Welt verändern!”

Wir wissen, dass es keine 15 Minuten dazu braucht.

Eure Welt, die Welt der Familie Horsch, die Welt der Wiener Studenten-WG, die Welt, in der sich Elias mit seinen vielfachen, fruchtbaren und bereichernden Beziehungen bewegt hat, unsere Welt, hat sich binnen einer Sekunde verändert. Er, der die Herzen von Menschen leicht im Sturm erobert hat, ist nicht mehr da – es ist hart für uns, uns von der einen auf die andere Sekunde daran zu gewöhnen.

Die Nachricht aus Wien hat größtmöglichen Schmerz, größtmögliche Trauer und größtmögliche Fassungslosigkeit gebracht.

Es ist nicht “alles” anders – aber vieles! Zu vieles!

Ich wage zu behaupten, dass keiner von uns wirklich durchblickt was geschehen ist. Es fehlt an allem: an Erklärung, an Durchblick, an Halt und wohl auch an Trost – und das obwohl eine große, willkommene, beispielhafte und wie ich es empfinde, sehr hilfreiche Welle an Begleitung und Unterstützung auf allen menschlichen Ebenen und Wegen angelaufen ist.

Ich merke, wenn ich in mich hinein höre – und Elias Tod ist für viele von uns ein unwillkürlicher Anlass dazu in sich hinein zu hören – dass ich hin und wieder in meinem eigenen Leben nicht durchblicke, manches nicht verstehe, wie ich überrascht bin über mich selbst und längst noch nicht alles von mir und über mich weiß.

Wie könnte ich da behaupten wollen, im Leben eines anderen durchzublicken, alles zu verstehen oder gar alles erklären zu können.

Auch der Beter des 139. Psalms, den wir gerade gehört haben, empfindet das wohl so. Undurchschaubar ist das Leben.

Aber er weiß um einen, der den Durchblick hat:

HERR, du kennst mich durch und durch! – Er redet mit seinem Schöpfer und erkennt: DU durchschaust mich!

Wie kann das sein?

Weil es keine Sekunde, keinen Ort, keine Situation gibt, an der ER nicht mit von der Partie ist.

Der Menschenschöpfer ist auch der Menschenversteher. Kein anderer versteht wie er. Kein anderer kann deshalb helfen, begleiten, halten, trösten wie er.

In der Unerklärlichkeit, der Haltlosigkeit, der Trostlosigkeit seines Daseins flieht der Beter sich hin zu ihm und weiß sich ganz in seiner Hand.

Ich kann nicht tiefer fallen, als in Gottes Hand”. Er spürt das, er weiß das.

Man kann nicht zu einem anderen sagen: “DU fällst nicht tiefer als in Gottes Hand”. Das wäre nur eine in den Raum gestellte Behauptung. Ein schwacher Trost! Eine Floskel.

Diesen Satz, diese Feststellung, kann man nur in der ersten Person, also für sich selbst sagen. Nur dann ist er wirklich Trost und Halt. Wenn ich es selbst so erlebe und erfahre – im Moment des Fallens!

Ihr habt davon gesprochen. Schon ganz früh, nachdem ihr von Elias Tod erfahren habt – gewissermaßen “im freien Fall”.

Euch ist es eine Überzeugung und deshalb ein echter, guter Trost. Ein hilfreiches Wissen. Und so steht diese Tatsache nicht nur über Elias Namen auf der Todesanzeige, sondern über seinem ganzen Leben, über eurem Leben und über dem Leben eines jeden, der es glauben und ergreifen mag!

Und viele um euch – und dazu will auch ich mich stellen – mitsamt dem Beter dieses Psalms – wollen das bekräftigen und bezeugen: “Ich kann nicht tiefer fallen, als in Gottes Hand” – Oder: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir!

Elias ist auf eine ganz menschliche Art “müde” geworden. Er erinnert mich, schon seines Namens wegen, an den Propheten aus alttestamentlicher Zeit, Elia hieß er. Auch er war müde geworden. Müde und mürbe angesichts dessen, wie sein Leben sich gestaltet hat. Hingelegt hat er sich, bereit zu sterben – ohne Willen und Ausweg.

Wir können nur mit ansehen, dass es das gibt. Dass es einen Menschen derart überfallen kann. Durchblicken tun wir das nicht, erklären können wir das nicht. Nur geschehen lassen müssen wir es, und ertragen – Schwer genug ist das. Gott sei Dank sind wir, seid ihr, dabei nicht allein!

Was Elias getan hat wirft bei uns allen unweigerlich die bange Frage auf: Habe ich etwas versäumt? Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich mit schuld an seinem Tod?

Wir meinen, seine Botschaft so verstehen zu müssen – allerdings ohne, dass er es so verstanden haben wollte! Schon in seinen Abschiedsworten hat er das ganz deutlich gemacht, wohl ahnend, dass man ihn so falsch verstehen könnte.

Nein – es trägt keiner eine Schuld.

Nein, niemand hat etwas versäumt.

Keiner hat etwas falsch gemacht.

Niemand konnte und kann je verstehen, was in seinem Innersten vorgeht, – außer der eine, der menschenverstehende, menschenbegleitende, menschenliebende Gott, der Schöpfer.

Aus seinen Händen fällt niemand heraus.

In seine Hände fällt man nur hinein!

Nähme ich Flügel der Morgenröte (ginge ich dorthin, wo die Sonne aufgeht) oder ginge ich an den äußersten Rand des Meeres (ans Ende der Welt), so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten!”

Wir dürfen erfahren, dass das wahr ist! AMEN.